Fattoria Rodano
Als ich Enrico Pozzesi im Jahr 1989 kennenlernte, war er de jure noch der Junior-Chef von Rodano. Damals schwang sein Vater noch das Zepter, für mein Empfinden ein Patriarch der alten Schule, der keinen Chef neben sich geduldet hat. Vittorio, Enricos Vater, war seinerzeit nicht nur Besitzer der Fattoria Rodano sondern obendrein Vorsitzender des Consorzio Gallo Nero, wie es damals noch hieß, des Schutzkonsortiums für den Chianti Classico. Heute heißt es etwas umständlich „Consorzio del Marchio Storico Chianti Classico“, denn man hat einen Rechtsstreit gegen den mächtigen US-Amerikanischen Weinunternehmer Gallo verloren.
Rückblickend betrachtet, würde ich behaupten, dass Enrico im Grunde schon damals die Kellerei geführt hat, sein Vater hätte das aber niemals nach außen zugegeben. Ich erinnere mich aber sehr gut daran, wie Papa Vittorio mir eine Preisliste vorlegte, die nicht mein Wohlgefallen fand. Ich sprach das an, aber in dem Moment, als der Vater mein Ansinnen vom Tisch wischte, signalisierte mir Enrico „psssst, wir beide reden später über die Preise“. Wir sprachen später über die Preise … und wir wurden uns einig.
Vielleicht ist es wichtig dazu zu sagen: Niemals haben wir Lieferanten preislich unter Druck gesetzt. Unsere Devise war immer „leben und leben lassen“ beziehungsweise die Erkenntnis, nicht wir bestimmen die Preise, Sie als Kunde tun es. Wenn Ihnen ein Wein nicht preiswert – oder den Preis wert - erscheint, werden Sie ihn nicht kaufen. Ein Wein, der unverkäuflich ist, ist für uns – aus kommerzieller Sicht – uninteressant. Das soll aber nur ein Exkurs sein.
Die 1990er Jahre waren eine sehr bewegte Zeit in der Toskana, in Italien. Die Weinwelt war im Aufbruch. Die „Barrique“, das kleine Eichenholzfass mit 225 Litern Fassungsvermögen, vor allem aus französischer Eiche verschiedener Provenienzen und „Toastungen“, war in Italien „ultra“-modern. Leider hatten die Winzer seinerzeit noch keine Erfahrung im Umgang mit dem „kleinen Holz“ und so „verholzten“ sie viele Weine. Verholzen heißt, die markantesten Aromen waren Vanille und Rauch. Wir haben diese Weine nie geliebt, denn Wein entsteht aus gutem, gesundem Traubengut – und so soll er auch schmecken.
Enrico hat seine Weine immer aus gesunden, reifen Trauben aus den eigenen Weinbergen gekeltert und bei allem, was er „modern“ dazugelernt hat, orientiert er sich doch vor allem an der Tradition. Das haben wir zu jeder Zeit sehr geschätzt. So entstand eine Jahrzehnte andauernde, intensive Zusammenarbeit, die aufgrund der kongruenten Philosophie ohne weiteres eine relativ kurze Phase überdauerte, in der die Weine von Enrico unglaublich unmodern waren. Denn Sie, liebe Kunden, haben unsere Philosophie immer verstanden, Sie haben immer verstanden, dass guter Wein keine Frage der aktuellen Mode ist, sondern eine Frage des guten Geschmacks.